Kaum eine Pflanze ist derart mit der Walpurgisnacht verbunden und von Mythen umwoben wie das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger).Die Walpurgisnacht findet in der Nacht auf den ersten Mai statt. Die altirische Bezeichnung Beltane könnte von dem Begriff „bel“ was „helles Feuer“ bedeutet hergeleitet sein, da es sich hierbei um eines der großen Feuerfeste handelt. Im irischen Kalender ist Beltane auch gleichgesetzt mit dem Sommerbeginn, da nun die schöne Jahreszeit beginnt.
Dieses Fest wird auch als „Tanz in den Mai“ bezeichnet und gilt als besonders Fruchtbarkeitsfest. Ein Maibaum wird aufgestellt, mit Maibüschen geschmückt und am Dorfplatz rituell umtanzt. Die Naturgeister, Hexen und andere mythologische Gesellen treiben es in dieser Nacht besonders wild. Sie fliegen in dieser Nacht auf den Blocksberg oder den „Brocken“ um dort ihre zügellosen Feste zu feiern. Das Bilsenkraut, als Bestandteil von so mancher Hexensalbe, verlieh ihnen dabei ihre Flügel.
In Goethes Inszenierung „Faust“ erleidet der Protagonist einen „Walpurgisnachtstraum“ in dem er zusammen mit Mephistopheles, geleitet von einem Irrlicht auf den Brocken aufsteigt, um dort dem wilden Treiben der Hexen beizuwohnen. Mitten in diesem Gelage singt der Chor der Hexen:
Die Salbe gibt den Hexen Mut,
ein Lumpen ist zum Segeln gut,
ein gutes Schiff ist jeder Trog,
der flieget nie, der heut nicht flog!
Das schwarze Bilsenkraut zählt zu den Nachtschattengewächsen und ist sowohl Giftpflanze wie auch Arzneipflanze. Es begleitet den Menschen schon lange. Älteste Funde in Österreich, zusammen mit Ritualgegenständen, gehen bis in die Bronzezeit zurück. Berichte aus dem antiken Griechenland und Rom erwähnen „Zaubertränke“ die häufig mit Bilsenkraut-Extrakten angereichert waren. Im mittelalterlichen Europa schätzte man diese Pflanze als schmerzstillendes Mittel.
Im Mittelalter wurde das Bilsenkraut dann regelrecht „verteufelt“ und mit dem dunklen Treiben böser Hexen in Verbindung gebracht. Auch zum „Wettermachen“ oder zum Beschwören böser Geister soll es verwendet worden sein. Verantwortlich dafür ist wohl die psychoaktive Wirkung der Pflanze. Für die Herstellung von verschiedenen Hexentränken und Hexensalben, den sogenannten
Flugsalben bildete das schwarze Bilsenkraut daher einen wichtigen Bestandteil. Dazu geistern heute noch vielerlei utopische Rezepte in den Medien herum. Kaum welche davon sind authentisch. Belegt ist die Beigabe des Bilsenkrauts dem Bier als Würzkraut, welches vor allem zu den Jahresfesten häufig getrunken wurde. Seit dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 ist das Beimengen von Giftpflanzen zum Bier allerdings untersagt.
Die aktiven chemischen Substanzen sind Tropan-Alkaloide, insbesondere Atropin, Scopolamin und Hyoscyamin. Vor allem das Skopolamin ist für die halluzinogene Wirkung verantwortlich. Weiters werden durch die Wirkstoffe Effekte des parasympathischen Nervensystems aufgehoben, was den Einsatz als Schmerzmittel, speziell bei Krämpfen des Magen-Darm-Traktes erlaubt.
Weitere Einsatzgebiete wären als Anticholinergikum bei Erkältungskrankheiten, bei Spasmen des Gastrointestinaltrakts sowie bei Narbensalben. Bilsenkrautöl ist in Apotheken und Drogerien erhältlich. Dieses wird als Narbenöl verwendet, aber auch für erotische Massagen. Eine angegebene Indikation wäre auch das Einträufeln in das Ohr bei Ohrenschmerzen, was uns sogleich an Hamlets Vater, den König von Dänemark erinnert. Dieser wurde, laut Shakespeare, getötet, indem man ihm den Saft des Bilsenkrauts ins Ohr träufelte.
Heute wird Bilsenkraut nur noch selten pharmazeutisch verwendet. Es sind allerdings verschiedene Fertigarzneimittel am Markt, welche die Wirkstoffe des Bilsenkrauts wie zum Beispiel Hyoscyamin, Hyoscin und deren Derivate oder auch Atropin und Scopolamin enthalten. In diesen ist der Gehalt der Wirkstoffe genauestens standardisiert. Von einer Verwendung der Pflanze als Halluzinogen und Rauschmittel muss aufgrund der hohen Giftigkeit dringend abgeraten werden!