Einer Legende nach hat die Engelwurz ihren Namen daher, da es der Erzengel Raphael war, der die Pflanze den Menschen zeigte. Raphael gilt in der christlichen Tradition als der Schutzpatron der Kranken und Apotheker. So lässt sich vermuten, er hat es mit den Menschen gut gemeint. Und tatsächlich ist die Engelwurz eine bewährte Arzneipflanze.
Als bitter schmeckendes, pflanzliches Arzneimittel verfügt die Engelwurz über eine verdauungsfördernde, krampflösende, gallentreibende, blähungstreibende sowie antimikrobielle Wirkung. Verwendet wird die Wurzel als Tee oder in Form von Fertigarzneimitteln wie zB alkoholischen Auszügen. Zu den anerkannten medizinischen Anwendungen gehört die Verwendung bei Appetitlosigkeit, Verdauungsbeschwerden, Völlegefühl, Magen-Darm-Krämpfen, Blähungen sowie bei Bronchitis.
Eine Bewertung der Kommission E verlief allerdings lediglich für die Anwendung der Wurzel positiv. Eine Bewertung der Anwendung von Engelwurz-Früchten sowie des Krauts verlief negativ.
In der Volksmedizin ist die Anwendung noch weit umfangreicher. So setzt man die Engelwurz nicht nur bei Verdauungsbeschwerden sondern auch bei nervösen Leiden, Hetze, Unruhe und Ärger ein. Äußerlich angewendet wird sie bei Gicht und rheumatischen Beschwerden, als Salbe, Einreibung oder als Bad eingesetzt. Diese Anwendungsbereiche sind jedoch nicht medizinisch anerkannt.
In der Küche findet man die Engelwurz sowie deren Früchte gern in Magenbitter, diversen Likören und Schnäpsen wieder. Die Stängel der Pflanze werden kandiert als Süßigkeit gereicht. Dazu hier einige Rezepte:
Engelwurz Tinktur (tropfenweise bzw. mit Wasser verdünnt einzunehmen)
100 g Engelwurz (getrocknete Wurzel + Samen)
1 L neutraler Alkohol (mind. 60%)
Die Engelwurz wird für ca. 4 bis 8 Wochen zusammen mit dem Alkohol in einem verschlossenen Glasgefäß angesetzt. Der Ansatz sollte nicht in der Sonne! An einem gleichmäßig temperierten Ort, zB im Küchenkasten gelagert werden. Von Zeit zu Zeit sollte das Gefäß kontrolliert und dabei geschwenkt werden. Nach spätestens 8 Wochen wird der Ansatz filtriert und in dunkle Glasflaschen abgefüllt. Bei Bedarf kann die Tinktur tropfenweise, bzw. mit Wasser verdünnt eingenommen werden.
Engelwurz Wein
Schon Hildegard von Bingen empfahl Engelwurz Wein zur Kräftigung. Die Engelwurz ist auch ein wichtiger Bestandteil von Schwedenbitter (Kräutermischung nach Maria Treben)
Für unser Rezept benötigt man:
50 g getrocknete Angelikawurzel + Samen
1 L Weißwein
1 Zimtstange
4-5 Gewürznelken
Bei Bedarf etwas Akazienhonig zum Süßen
Alle Zutaten bis auf den Honig werden in einen Topf gegeben und vorsichtig auf ca 70°C erwärmt. Dabei sollte der Ansatz zugedeckt sein, damit keine leicht flüchtigen Substanzen entweichen. Nach dem Erwärmen lässt man den Ansatz zugedeckt über Nacht ziehen. Am nächsten Tag wird der Wein abfiltriert und in dunkle Flaschen abgefüllt. Bei Blähungen und Völlegefühl kann nach dem Essen ein Glas Angelikawein getrunken werden.
Angelika Likör
50 g getrocknete Angelikawurzel + Samen
1 Zimtstange
4-5 Gewürznelken
4-5 Cardamomkapseln
1 Stück Schale einer unbehandelten Orange
1 L Korn oder Weingeist
Honig zum Süßen nach Bedarf
Alle Zutaten werden zusammen mit dem Korn in einem verschlossenen Glasgefäß angesetzt. Der Ansatz sollte 4-6 Wochen nicht in der Sonne, an einem gleichmäßig temperierten Ort, zb im Küchenkasten gelagert werden. Von Zeit zu Zeit wird der Ansatz geschwenkt und kontrolliert. Nach 6 Wochen wird der Likör abfiltriert und in dunkle Flaschen gelagert.
Als Erkältungsbalsam wird Engelwurzbalsam bei Erkältungssymptomen wie Husten und Schnupfen eingesetzt. Auf Brust, Rücken und die Nasenflügel aufgetragen hat er eine wärmende, entspannende, befreiende und auswurffördernde Wirkung. Zusätzlich verfügt er über antiseptische Eigenschaften.
Verantwortlich für die Wirkung sind hauptsächlich die in der Engelwurz enthaltenen ätherischen Öle.
Diese, als Balsam auf lipophiler Basis, wird meist mit anderen wohltuenden Kräutern oder ätherischen Ölen kombiniert. Möglich wären Thymian, Salbei, Mayoran, Melisse, Johanniskraut und andere wärmende Kräuter, die für Erkältungskrankheiten geeignet sind. Ich habe mich bei meinem Balsam für eine Kombination mit ätherischem Wintergrünöl entschieden.
Das amerikanische Wintergrün, bei uns auch als niedere Scheinbeere bekannt, zählt zu den Heidekrautgewächsen. Aus seinen Blättern wird durch Mazeration und Wasserdampfdestillation das ätherische Wintergrünöl gewonnen. Dieses ist in seiner chemischen Struktur der Acetylsalicylsäure sehr ähnlich und verfügt über schmerzstillende, adstringierende und durchblutungsfördernde Eigenschaften. Volksmedizinisch verwendet wird es unter anderem bei rheumatischen Beschwerden, Erkältungskrankheiten, Fieber und Kopfschmerzen.
Wer ein ätherisches Öl das erste Mal verwendet, sollte vor Gebrauch einen Verträglichkeitstest auf dem Handrücken oder der Armbeuge durchführen. Dazu wird ein Tropfen des ätherischen Öls mit einem gut verträglichen fetten Trägeröl vermischt und an besagter Stelle aufgetragen. Wenn nach einiger Zeit keinerlei Hautrötungen oder allergische Reaktionen auftreten, ist das Öl gut verträglich und kann zum Gebrauch verwendet werden. Zusätzlich sind immer die Sicherheitshinweise des Herstellers zu beachten.
Doch nun zum Rezept. Ich habe für meinen Balsam frische, leicht angetrocknete Engelwurzwurzeln verwendet. Man kann natürlich auch getrocknete Wurzeln entsprechend verarbeiten, oder auch direkt das ätherische Öl verwenden. Als Basis für Salben und Balsame verwende ich gerne Olivenöl, da es gut nachfettet und somit gereizte Hautstellen optimal pflegt. Bienenwachs bindet die Zubereitung zu einem cremigen Balsam und schützt zusätzlich die Haut. Wer gerne vegan arbeiten möchte, kann das Bienenwachs einfach durch Beerenwachs ersetzen. Lanolin macht den Balsam besonders cremig und gut verteilbar. Außerdem unterstützt es die Hautpflege und den Hautschutz.
25 g frische, teilweise angetrocknete Engelwurzwurzel
200 ml Olivenöl
25 Bienenwachs
1 EL Lanolin anhydr.
10 Tr. Äth. Wintergrünöl
Die Engelwurzwurzel wird möglichst klein geschnitten oder grob gerieben. Wichtig dabei ist, viel Innenoberfläche offen zu legen, damit die Inhaltsstoffe gut in das fette Trägeröl übergehen können. Besonders feine Wurzelteile, bei denen sich nicht viel Innenoberfläche offenlegen lässt, eignen sich besser zum Trocknen zum Beispiel für Räucherwerk. Anschließend wird die Wurzel im Olivenöl über mehrere Stunden bei maximal 70°C ausgezogen. Dabei muss unbedingt zugedeckt, also im geschlossenen System gearbeitet werden, damit die ätherischen Öle nicht entweichen. Ich persönlich erwärme immer wieder auf 70°C und lasse dann wieder abkühlen. Durch dieses Wechselspiel werden die Inhaltsstoffe bestmöglich ausgezogen. Anschließend lasse ich den Ansatz zugedeckt über Nacht ziehen, erwärme am nächsten Tag nochmal und filtriere das Wurzelmaterial anschließend ab, wobei ich das Öl gut ausdrücke.
Das so gewonnene Engelwurzwurzelöl wird anschließend erneut sanft erwärmt und das Bienenwachs sowie das Lanolin werden eingearbeitet, bis alle Zutaten geschmolzen sind. Anschließend nimmt man den flüssigen Balsam von der Wärmequelle. Erst in der Abkühlphase, unter 40°C wird das ätherische Öl zugetropft und gut eingerührt. Anschließend wird der fertige Balsam in Braunglastiegel abgefüllt und abgekühlt bis er fest geworden ist. Ich wünsche gutes Gelingen!
Aber Vorsicht! Die Engelwurz gilt als schwach giftig und hat photosensibilisierende Eigenschaften. Bei Berührung mit dem Saft der Pflanze können Hautreizungen entstehen, weshalb sie auch gern mit dem Wiesenbärenklau verwechselt wird. Ebenso sind Verwechslungen mit dem gefleckten Schierling sowie dem Wasserschierling möglich, welche zu den giftigsten Vertretern der Doldengewächse gehören. Daher ist dem Laien von einer Wildsammlung der Pflanze unbedingt abzuraten. Bevorzugt verwendet man die Engelwurz aus kultivierten Beständen, wenn möglich aus dem eigenen Kräutergarten.
Auch bei einer Überdosierung oder längeren Anwendung der Engelwurz, sowie deren ätherisches Öl ist Vorsicht geboten. Es können leichte Vergiftungserscheinungen wie Störungen des Allgemeinbefindens sowie Hautreizungen auftreten. Bei längerer Einnahme sollte man auch das pralle Sonnenlicht meiden. Für eine Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit, sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren liegen derzeit noch keine Untersuchungen auf Unbedenklichkeit vor.