Die wunderbare Kräuterzeit hat nun wieder begonnen und viele Kräuterfreunde sind bereits fleißig am Sammeln und Zubereiten. Doch tauchen auch immer wieder Fragen und Unsicherheiten bezüglich der richtigen Auszugsmethode einer Heilpflanze auf. Hierfür gibt es meist mehrere unterschiedliche Methoden. Anhand welcher Kenngrößen der Fachmann seine Zubereitung wählt, wollen wir hier nun näher betrachten.
Grundsätzlich unterscheidet der Apotheker zwischen flüssigen Arzneiformen, halbfesten Arzneiformen und festen Arzneiformen. Welche dieser Darreichungsformen die beste ist, hängt natürlich von der Art der Anwendung ab. Hier unterscheidet man weiter zwischen Lösungen, Emulsionen, Suspensionen, Cremen, Pasten, Gele, Zäpfchen oder Pulver. Doch bevor man seine Arzneidrogen in die passende Darreichungsform verarbeiten kann, muss man diese erst aus dem Pflanzenmaterial gewinnen.
Welche Auszugsmethode man bei einer Heilpflanze anwendet, hängt in erster Linie von deren Inhaltsstoffen ab. Die meisten Heilpflanzen enthalten sowohl primäre wie auch sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Diese verfügen über spezifische Eigenschaften bezüglich ihrer Löslichkeit, ihrer chemisch-physikalischen Stabilität und natürlich ihrer Wirkungsweise. Wollen wir hier die wichtigsten Inhaltsstoffe näher betrachten.
Ätherische Öle: bestehen aus verschiedenen aromatischen Kohlenwasserstoffen und geben den Pflanzen ihren typischen Geruch. Man gewinnt sie meist durch Wasserdampfdestillation. Sie sind leicht flüchtig und empfindlich auf Licht. Sie sind gut Löslich in organischen Lösungsmitteln aber kaum Löslich in Wasser.
Bitterstoffe: sind stark bittere Substanzgemische die bei Verdauungsbeschwerden eingesetzt werden. Sie sind in Wasser und Alkohol löslich und gut hitzebeständig. Sie wirken appetitanregend, verdauungsfördernd und regen die Darmperistaltik an. Eingesetzt werden sie als Tee, Tinktur, Extrakt oder in Magenbitter und Wein. Typische Bitterdrogen sind Enzianwurz, Angelikawurz, Kalmus, Wermut oder Löwenzahnwurzel.
Gerbstoffe: findet man in Wurzeln und Rinden die zum Gerben von Haut und Fellen verwendet wurden. Sie wirken zusammenziehend, entzündungshemmend, antibakteriell, sekrethemmend und neutralisieren diverse Giftstoffe. Gerbstoffe sind in heißem Wasser und Alkohol löslich. Sie trocknen nässende und entzündete Haut und Schleimhaut aus und fördern so die Heilung. In höherer Dosis können Gerbstoffe auch die Magenschleimhaut reizen.
Schleimstoffe: sind Polysaccharide, also langkettige Zucker, und werden durch Extraktion mit kaltem Wasser gewonnen. Sie können Wasser binden und wirken kühlend und lindernd. Es gibt sowohl wasserlösliche wie auch wasserunlösliche Schleimstoffe. Sie wirken erweichend und reizlindernd und sind in der Lage Giftstoffe zu binden. Tee´s aus Schleimstoffdrogen sollten zuerst kalt angesetzt und dann vor dem Trinken nur kurz erhitzt werden, um die langkettigen Moleküle nicht zu zerstören.
Saponine: sind pflanzliche Glykoside (Zuckerverbindungen, die aus einem wasserlöslichen (hydrophilen) Zucker und einem fettlöslichen (lipophilen) Aglykon bestehen. Sie setzen die Oberflächenspannung von Wasser herab bilden einen haltbaren Schaum. Dadurch bewirken Saponine eine Verflüssigung von zähem Schleim weshalb sie als Schleimlöser und zur Auswurfförderung bei Husten verwendet werden. In höherer Dosis haben Saponine eine Reizwirkung auf die Schleimhaut. Außerdem wirken sie hämolytisch und sind fisch- und gewässertoxisch. In der Kosmetik werden Saponine in Hautreinigungsmitteln wie Duschgel oder Shampoo eingesetzt.
Anthranoide: sind Glycoside mit einer laxativen Wirkung. Sie hemmen die Wasserresorption im Darm und regen die Peristaltik an. Typische Arzneidrogen sind Faulbaumrinde, Sennesblätter oder Rhabarberwurzel.
Scharfstoffe: wirken auf die Schmerz- und Wärmerezeptoren im Körper. Sie verstärken die Durchblutung und die Erwärmung des Gewebes. Sie sind meist fettlöslich und gut hitzebeständig.
Flavonoide: sind meist hydrophil und an Zucker gebunden. Man findet sie vermehrt in den oberirdischen Teilen von Blütenpflanzen. Viele Farbstoffe zählen zu den Flavonoiden. Sie haben sehr hohe anitoxidative Wirkung und mobilisieren die Zellfunktionen. Flavonoide sind gut hitzebeständig und werden sowohl in Arzneimitteln wie auch in Nahrungsergänzungsmitteln umfangreich genutzt. Isoflavone und Polyphenole sind Untergruppen der Flavonoide.
Kieselsäure: wird von Pflanzen aus dem Boden aufgenommen und in den Zellmembranen eingelagert. Der Körper absorbiert den wasserlöslichen Teil der Kieselsäure. Kieseldrogen werden bei Degenerationserscheinungen und zur Gewebsstärkung eingesetzt. Sie festigen das Bindegewebe sowie Haut, Haare und Nägel. Typische Kieseldrogen sind Schachtelhalm, Hohlzahn oder Lungenkraut. Da Kieselsäure im Allgemeinen schlecht löslich ist, werden die Pflanzendrogen als Decoctum zubereitet.
Alkaloide: sind stark wirksame Substanzen mit sehr unterschiedlicher Wirkung auf den Organismus. Viele Gifte und hochwirksame Arzneistoffe wie Morhpin, Codein oder Atropin zählen zu den Alkaloiden. Viele Alkaloide bzw. deren Salze sind in Wasser und Alkohol gut löslich. Desweiteren sind sie gut hitzebeständig, wie zum Beispiel Solanin, das selbst durch längeres Kochen nicht zerstört wird. Aufgrund der Vielfältigkeit sollten hier die chemisch-physikalischen Eigenschaften wie auch die Wirksamkeit immer im Detail näher betrachtet werden.
Diese Aufzählung kann natürlich noch viel detaillierter weitergeführt werden. Hier wollen wir uns nur einen kleinen Überblick verschaffen, wie umfangreich und vielfältig die Welt der Pflanzeninhaltsstoffe doch ist. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, welche Inhaltsstoffe in unseren Heilpflanzen enthalten sind, und über welche Eigenschaften diese verfügen, so wissen wir auch wie wir diese Pflanzen einsetzen können und wie wir die gewünschten Inhaltsstoffe aus dem Pflanzenmaterial lösen. So werden wir für leicht flüchtige und hitzeempfindliche Inhaltsstoffe wohl eher einen kalten Auszug wählen. Inhaltsstoffe die gut hitzebeständig sind und sich schwer aus dem Pflanzenmaterial lösen, müssen einer längeren Hitzebehandlung unterzogen werden, damit sie auch in das Lösungsmittel übergehen. Eigenschaften wie die Löslichkeit oder den Schmelz- und Siedepunkt (ein Indiz für die Hitzebeständigkeit eines Stoffes) findet man immer auch im Sicherheitsdatenblatt des jeweiligen Stoffes bei den chemisch-physikalischen Eigenschaften. Weiß man darüber Bescheid, wählt man seine gewünschte Auszugsmethode.
Hier unterscheidet man zwischen wässrigen, alkoholischen, wässrig/alkoholischen und öligen Zubereitungen. Außerdem gibt es noch Zubereitungen aus Frischpflanzensaft. Im Detail unterscheidet man weiter ein Mazerat (ein kalter Auszug durch längeres Einlegen), ein Infusum (ein Aufguss mit heißem Wasser) oder ein Decoctum (eine Abkochung für schwer lösliche Stoffe zum Beispiel aus Rinden und Wurzeln). Auch Tinkturen, Percolate, Fluidextrakte, Spissumextrakte (zählflüssige Extrakte) und Siccumextrakte (Trockenextrakte) sind mögliche Auszugsmethoden um Wirkstoffe bestmöglich aus dem Pflanzenmaterial zu gewinnen und für die Verwendung konzentriert du verarbeiten. Beim Presssaft oder einer Urtinktur arbeitet man mit dem Frischpflanzenmaterial was eine besondere Sorgsamkeit erfordert. Auch die Eigenschaften des Trägermaterials dürfen hier nicht vergessen werden. So benötigen nicht nur ätherische Öle, sondern auch die meisten fetten Öle sowie Alkohol Lichtschutz und werden daher meist in Braunglas abgefüllt.
Erst durch die Wahl der richtigen Auszugsmethode erzielen wir ein bestmögliches Ergebnis bei unseren Pflanzenauszügen. Diese wird dann zur gewünschten Darreichungsform weiterverarbeitet um dann ihre Wirksamkeit zu entfalten. Wählen wir die falsche Auszugsmethode fehlen die gewünschten Wirkstoffe in der Zubereitung, weil wir diese zerstört oder erst gar nicht aus dem Pflanzenmaterial gelöst haben. Daher ist dieses Wissen essentiell für alle Kräuterfreunde.